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Über Silvesterpartys mit Holger und Brigitta

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Dieses Jahr gehe ich an Silvester erstmals wieder auf eine große, offizielle Party. Irgendwie habe ich den Wunsch, das Jahr mit einem Knall zu beenden, auch wenn ich keinesfalls denke, dass Silvesterpartys irgendetwas besonders Knalliges an sich haben. Auch das bisschen Edeka-Feuerwerk kann mich da nicht vom Gegenteil überzeugen.

Eigentlich mag ich keine Silvesterpartys. Sie haben so eine trübe Ausstrahlung und sind ein mehliger Vorgeschmack auf die Zeit, wo man zu alt sein wird für alles, was Spaß macht. Irgendwann muss man sich nämlich entscheiden, ob man zur langweiligen Raclette-Fraktion oder zu den verzweifelten, einsamen Partylöwen mit Silbermähne gehören möchte, die ihre rastlosen Runden auf der rautenförmigen Tanzfläche drehen, in Erwartung einer Beute, die sie ein bisschen über ihre eigene nahende Sterblichkeit hinwegtrösten kann.

Ich gehöre dann wahrscheinlich zu einer dritten, inoffiziellen, menschenfeindlichen Untergrund-Organisation. Wir sind alte Säcke in schwarzen Rollkragenpullover, die ins Käsefondue aschen und sich weigern an Silvester etwas Anderes zu machen als dazusitzen und Zeitung lesend die Katze zu streicheln. So einen richtig guten Weg mit Silvester umzugehen gibt es also nicht.

Auf Silvesterparty findet man immer wieder dieselben Typen: alleinstehende, aufgetakelte 40ger beider Geschlechter in schlechtsitzenden Anzügen oder zu transparenten Kleidern mit Spitzenapplikationen, die zu viel Geld (meist über 40 Euro) ausgeben, um mit anderen Mittelalten an einem mittelguten Sektbuffet zu stehen und Fingerfood in sich hineinzustopfen. Obwohl sie wahrscheinlich gerade erst das Weihnachtsessen aus sich herausgeholt haben. Meistens erscheinen sie in großen Horden, die keinerlei sexuelle Aura versprüht und manchmal finden sich zwei asexuelle Wesen aus zwei asexuellen Gruppen (es ist schon erstaunlich wie hochhackige Menschen in durchsichtigem Stoff und mit Spitzenapplikationen so asexuell sein können). Sie heißen dann Holger und Brigitta und treffen sich in der Mitte der Tanzfläche der Mehrzweckhalle, da wo das Leben pulsiert.

Holger und Brigitta tanzen erst zaghaft und dann immer verzweifelter im immer geiler werdenden pinken Licht der Party – Beleuchtung. Und die Diskokugel wirft Ornamente auf ihre mittelalten, schwitzenden Körper, die immer in Bewegung zu sein scheinen als tanzten sie um ihr Leben. Und SNAP spielt vertrauensvoll Rhythm is a Dancer. Um 23 Uhr überlegt Brigitte ob sie noch einen Sekt trinken soll, auch auf die Gefahr hin, dass sie sich übergeben muss. Holger steht daneben und hofft, dass sie es macht und er, nachdem er ihre Kotze weggewischt hat noch einen Stich landet bevor das Feuerwerk beginnt. Er hat gelernt, dass man für nichts nichts bekommt und hält dies für ein faires Tauschgeschäft. Brigitta aber hat ihren Körper lange genug argwöhnisch beobachtet und sich in zahlreichen Selbstfindungsworkshops gut genug kennen gelernt um zu wissen: Wenn sie jetzt noch einen trinkt und sich dann auch noch übergibt, wird sie höchstens sehr müde und ganz bestimmt nicht scharf!

„Wenn wir es machen wollen, dann jetzt“, flüstert sie Holger ins Ohr und drängt ihn in Richtung Ausgang bevor ihr Hormonpegel wieder runtergeht. Holger bekommt augenblicklich Flecken im Gesicht und die beiden verschwinden irgendwo. Aus den Boxen spielt die Hermes House Band Cotton Eye Joe. Wie behaglich, alles. Ich werde am Buffet stehen und die Leute zufrieden anstarren. Zufrieden in dem Wissen, dass ich (noch) nicht sie bin. Und dann gibt es ein moderates Supermarkt-Feuerwerk vor der Tür. Ob ich mich darauf freue? Aber natürlich.

Auch im neuen Jahr erwarten euch weitere vielfältige Kolumnen, hier auf Face2Face.

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